Schnapsidee: Trennkost/ Schlank im Schlaf
Erstellt von r.ehlers am Freitag 29. Mai 2015
Schnapsideen können gar nicht alt genug sein, um immer wieder aufgewärmt zu werden. Eine solche ist die vom New Yorker Arzt William Howard Hay um 1900 begründete und nach ihm benannte Hay‘sche Trennkost.
100 Jahre später, 1998, veröffentlichte ein Kreis von Sportmedizinern aus Essen um den Internisten Dr. Detlef Pape die diesem in der Folge aus Werbegründen allein zugeschriebene Schlank-im-Schlaf-Diät (SiS), die
- die seltsame Idee der Trennung der zu verzehrenden Nahrung nach ihrem Gehalt an Kohlenhydraten und Eiweißen wieder aufwärmte.
Hay nahm man damals seine Thesen gern ab, weil er durch seine eigene Lebens- und Krankheitsgeschichte bewies, dass „was dran“ sein musste an seinen Theorien. Immerhin fand er den Weg, mit ihrer Umsetzung seinen Harnsäurespiegel zu senken und sich dadurch von seiner damals als unheilbar geltenden Schrumpfniere (Bright’s Disease) zu befreien. Dieser Erfolg ermutigte ihn zu weitreichenden Schlussfolgerungen, die sich sämtlich als falsch erwiesen haben. Aber was für Nierenkranke gut sein kann, taugt doch nicht automatisch auch für Gesunde!
-en.wikipedia.org-
William Howard Hay
Von Hay stammt die auch heute noch weit verbreitete Vorstellung, dass die Übersäuerung des Blutes die Ursache aller Zivilisationskrankheiten sei.Wenn es doch so einfach wäre! Ich habe ausführlich über dieses Problem berichtet: http://www.essenspausen.com/uebersaeuerung-wirklich-eine-stille-gefahr/.
Nach Hay’s Auffassung kommt es zur radikalen Übersäuerung in Form der Azidose, wenn man Eiweiße und Kohlenhydrate gemeinsam verzehrt. Der Mensch müsse seine Nahrung nach diesen beiden Stoffen unbedingt trennen, weil er sie nicht zugleich verstoffwechseln könne. Tut man das doch – wie wir eigentlich fast alle – wären Gärungsprozessse im Dünndarm die unweigerliche Folge.Die Trennung dagegen führe dazu,dass das Enzym Ptyalin die Stärke und das Enzym Pepsin die Eiweiße ohne wehselseitige Störung aufspalten könnten, was zu einer perfekten Ausnutzung der Nahrungsbestandteile und zu einer schnelleren Darmentleerung führe.
Dr. Pape und Kollegen nannten ihr auf Hayes Gedanken basierendes Ernährungskonzept zunächst eine Insulin Trennkost. Erst mit dem reißerischen Namen „Schlank im Schlaf (SiS)“ erzielten und erzielen sie damit einen großen Erfolg beim Publikum. Eine im Ansatz aus biochemischer Sicht ganz sicher richtige Erkenntnis haben sie dabei eingebaut, nämlich das neuere Wissen, dass ab einer gewissen Konzentration von Kohlenhydraten (Zucker) im Blut das sog. Dickmacherhormon Insulin so stark ansteigt, dass durch die Besetzung der Rezeptoren an den Fettzellen des Körpers jegliche Fettverbrennung unterbunden wird. Kommt es daher niemals dazu, dass die Aufnahme von Kohlenhydraten ins Blut über die Nahrung reduziert und damit der Insulinspiegel gesenkt wird, kann man auch mit deutlicher Rückfuhr der Gesamtkalorienzahl keinen Abbau von Körperfett erreichen. Man nimmt wegen der niedrigen Kalorienbilanz dann zwar immer noch ab, das aber allein durch Rückgriff auf die in den Muskeln befindlichen Aminosäuren.
Ich habe darüber wiederholt berichtet, u,.a. in meinem kleinen Buch „Essenspausen“, Via Nova, 2012, zuletzt hier auf der Plattform unter http://www.essenspausen.com/grundwissen-abnehmen/.
Auf den ersten Blick scheint es logisch zu sein, dass man die Fettverbrennung einleiten und aufrecht erhalten könnte, indem man längere Zeit auf den Verzehr von kohlenhydrathaltigen Speisen verzichtete – und sich eben an allein eiweißhaltige Speisen hält, die die Verwertung der Energierserven aus den Fettzellen nicht unterbindet. Das aber ist
- nur eine Scheinlogik, weil fast alle Nahrung auch beträchtliche Mengen an Kohlenhydraten enthält.
Es ist daher auch völlig unpraktikabel, alle Nahrung in Gruppen zu unterteilen, die relativ viel oder ralativ wenig Kohlenhydrate enthalten.
Dr. Pape empfiehlt immerhin, 4 – 5 stündige Essenspausen zwischen den Mahlzeiten einzuhalten. Er hat Recht, dass dies den Blutzuckerspiegel unten halten kann, wenn man dafür gesorgt hat, dass der Magen vom vorhergehenden Essen wirklich frei geworden ist. Mit den dabei zu beachtenden Umständen befasst er sich allerdings wenig. Die SiS-Diät befasst sich allein mit den Möglichkeiten des Abnehmens durch die Wirkungen des Wachstumshormons Somatotropin in der Nacht und vernachlässigt die gute Möglichkeit des Fettabbaus tagsüber unter der Wirkung des Stresshormons Adrenalin.Das allerdings berücksichtigt der Münchner Ernährungsforscher Prof. Dr. Adam, der in seinem Buch „Die KFZ-Diät“ geschickterweise den Hungrigen kleine Zwischenmahlzeiten konzediert, die nicht mehr als 10 g Kohlenhydrate beinhalten.
Unübersehbar bleibt die Trennung unserer Nahrung in ihre natürlichen Bestandteile und ihr getrennter Verzehr auch in Anbetracht der heute bekannten biochemischen und physiologischen Zusammenhänge eine Schnapsidee.
Zur Vertiefung verweise ich auf meinen Grundwissen-Beitrag: http://www.essenspausen.com/der-magische-moment-des-essens-auf-leeren-magen/.
Interessant ist auch, wie der bekannte Gesundheitsberater Dr. Spitzbart die Schlank-im Schlaf-Diät beurteilt, s.http://www.spitzbarts-gesundheitspraxis.de/gesunde-ernaehrung/ernaehrungstipps/trend-diaet-schlank-im-schlaf-warum-ich-ihnen-sis-nicht-empfehlen-kann.html :
„Trend-Diät „Schlank im Schlaf“: Warum ich Ihnen SIS nicht empfehlen kann
„Schlank im Schlaf“ (SIS) oder „Schlank im Schlaf für Berufstätige“ heißen die Ratgeber, die seit einigen Jahren immer wieder die Bestsellerlisten stürmen. Allein die Titel geben ihren Lesern große Versprechen: Abnehmen ohne Mühe. Keine Diät, die darauf aufbaut, dass Sie verzichten müssen, und auch kein schweißtreibender Sport. Stattdessen nur essen und schlafen. Das klingt danach, als wäre das Schlaraffenland endlich wahr geworden. Aber ist das tatsächlich so? Das erkläre ich Ihnen in diesem Beitrag. …
Wenn Sie eines der Bücher aufschlagen, merken Sie, dass SIS nicht so einfach ist, wie es klingt. Denn zunächst einmal erwartet Sie ein umfangreicher Test, mit dem Sie herausfinden sollen, ob Sie eher ein Fleisch- oder ein Kohlenhydrat-Esser sind. Hinzu kommt ein Gesundheitstest, in dem Sie selbstständig einordnen, ob und wie stark Ihr Gewicht schon gesundheitsgefährlich für Sie ist.
Die Idee hinter SIS ist nicht neu
Bereits Anfang 2001 erschienen die ersten Bücher zum Thema, damals noch unter dem Namen „Insulin-Trennkost“. Aber erst mit dem viel versprechenden Namen „Schlank im Schlaf“ wurde die Methode wirklich bekannt.
SIS geht davon aus, dass der Schlaf des Menschen wie der Winterschlaf des Bären funktioniert. Dieser verbrennt, um seinen Energiehaushalt in Gang zu halten, Fettreserven. Das können Sie auch – zumindest laut SIS. Die einfache Regel lautet: Essen Sie das Richtige, und gehen Sie früh schlafen. Wenn Ihr Schlaf tief und fest ist, Sie nicht durch Probleme und Sorgen wach gehalten werden, dann sollen Sie tatsächlich abnehmen.
Die Kombination aus Kohlenhydraten und Eiweiß ist tabu
Damit SIS funktionieren kann, muss die Insulinausschüttung beschränkt werden. Denn Insulin ist ein Dickmacherhormon. Wird es nach jeder Mahlzeit ausgeschüttet, verhindert es auf Dauer einen Gewichtsverlust.
Aus diesem Grund dürfen Sie Kohlenhydrate nie mit Eiweiß zusammen verzehren. Der Grund: Die Theorie von SIS geht davon aus, dass die Kombination von Kohlenhydraten und Eiweiß den Körper mit Insulin geradezu überschwemmt – noch stärker als verarbeitete Kohlenhydrate wie Weißmehl oder Zucker allein. Das Problem laut SIS: Sie nehmen nicht ab, weil das Insulin den Zucker in den Zellen einlagert und daher ein Masthormon ist.
Morgens keinen Quark, abends kein Brot
Die Fettverbrennung im Schlaf funktioniert laut SIS nur, wenn in Ihrem Körper kein Insulin ausgeschüttet wird. Daher ist bei dieser Ernährungsform genau festgelegt, was Sie wann essen dürfen.
Auf Ihrem Frühstücksplan stehen beispielsweise nur kohlenhydratreiche Lebensmittel: Brot, Brötchen, Marmelade, Honig, Orangensaft, vegetarische Aufstriche oder Müsli – natürlich ohne Milch. Auch tierische Eiweiße sind nicht erlaubt, also keine Wurst, kein Käse, keine Eier. Butter und Sahne dagegen dürfen Sie zum Frühstück genießen.
Um Ihr Mittagessen richtig zusammenzustellen, ist es wichtig, dass Sie die Tests vorher exakt durchgeführt haben. Denn je nachdem, ob Sie eher ein Fleisch- oder ein Kohlenhydrat-Esser sind, dürfen Sie nun Kohlenhydrate mit oder ohne Eiweiß zu sich nehmen. Übrigens widerspricht sich SIS hier selbst – denn eigentlich dürfen Eiweiß und Kohlenhydrate ja nicht kombiniert werden.
Abends sind Kohlenhydrate tabu. Also gibt es abends kein Brot, keine Brötchen, keine Kartoffeln und kein Obst. Stattdessen können Sie Fisch, mageres Fleisch, Jogurt, Quark und Gemüse zu sich nehmen. Dadurch bleibt Ihr Insulinspiegel nachts niedrig. Um jetzt an Energie zu kommen, muss Ihr Körper seine Fettreserven anzapfen, da ihm ja keine Kohlenhydrate zur Verfügung stehen. Die Folge: Sie nehmen ab.
Zwischenmahlzeiten streng verboten
Richtig anstrengend wird SIS für Sie, wenn Sie zwischendurch Hunger bekommen. Denn zwischen den drei Hauptmahlzeiten müssen jeweils fünf Stunden Abstand liegen – und Zwischenmahlzeiten sind verboten. Kein Keks, keine Chips, kein Obst. Auch süße Getränke sind tabu. Der Grund: Der Insulinspiegel in Ihrem Körper soll zwischen den Mahlzeiten wieder absinken.
Damit Ihnen die fehlenden Zwischenmahlzeiten nicht auf Ihr Gemüt schlagen, sollen Sie sich mehr bewegen und so die Ausschüttung von Glückshormonen anregen. Gerade abends sollen Sie moderaten Sport treiben. Zeit dafür haben Sie dann übrigens genug – denn laut SIS soll das Abendessen möglichst nicht nach 16 Uhr stattfinden.
Warum ich Ihnen SIS nicht empfehlen kann
Auf den ersten Blick ähnelt SIS den Empfehlungen, die auch ich Ihnen zum Thema „Gesundes Abnehmen“ gebe: kein spätes Essen, Fettverbrennung durch Sport anregen – all diese Punkte kennen Sie sicherlich. Dennoch kann ich SIS nicht befürworten. Denn wenn Sie sich diese Ernährungsform genauer anschauen, werden Sie einige Unstimmigkeiten entdecken.
- Die Lebensmittel-Einteilung ist nicht nachvollziehbar. Warum sind morgens eiweißhaltige Lebensmittel verboten, Butter und Sahne aber erlaubt? Abends sollen Sie keine Kohlenhydrate essen – Gemüse ist jedoch erlaubt. Auch Gemüse enthält Kohlenhydrate.
- Sie können Kohlenhydrate und Eiweiß gar nicht trennen. Beide Nahrungskomponenten sind in fast jedem Lebensmittel enthalten.
- Es kann zu Vitalstoffmangel kommen. Sie brauchen fünf Portionen, umgerechnet 500 Gramm, Obst und Gemüse pro Tag, damit Sie ausreichend mit allen Vitalstoffen versorgt sind. Diese Menge können Sie mit SIS niemals verzehren. Denn Zwischenmahlzeiten sind streng verboten – somit auch der Apfel oder die Banane zwischendurch.
- Es kann zu Eiweißmangel kommen. Ihr Eiweißspiegel sinkt gefährlich ab, wenn Sie als Kohlenhydrat-Typ nur abends Eiweiß zu sich nehmen dürfen.
- Zwischenmahlzeiten fehlen. Fünf Stunden Pause zwischen den einzelnen Mahlzeiten sind für viele Menschen nicht praktikabel. Selbst bei gesunden Menschen kann es zu Leistungsabfall oder sogar zu Unterzuckerung kommen.
- Sie sollen von Beginn an Fett im Schlaf verbrennen. Das kann nicht funktionieren, wenn Sie nicht schon länger Sport treiben. Denn wenn Sie sich zu wenig bewegen, stellen sich Ihre Enzyme, die für die Fettverbrennung zuständig sind, um. Sie verbrennen nur noch Zucker. Erst wenn Sie beginnen, Sport zu treiben, nehmen diese Enzyme nach und nach ihre eigentliche Arbeit wieder auf. Nach vier bis sechs Wochen funktioniert die Fettverbrennung dann wieder. Allerdings nicht nur beim Sport, sondern auch im Schlaf – und unabhängig davon, was Sie essen.
- Ausreichend langer Schlaf ist unwahrscheinlich. Es wird Ihnen eine sportliche Betätigung am Abend empfohlen, quasi als Ersatz für das Abendessen. Aber Sport am Abend macht munter. Sie werden danach noch einige Stunden wach liegen und nicht schlafen können. Die Fettverbrennung ist laut SIS allerdings nur bei mindestens sieben Stunden tiefen und festen Schlafes effektiv.
All das sind Gründe, die gegen SIS sprechen. Aus diesem Mischmasch verschiedener Ernährungsformen soll meiner Meinung nach einfach nur Geld gemacht werden. Auf Dauer werden Sie so nicht abnehmen – diese Ernährungsform ist zu unpraktisch, als dass Sie sie durchhalten könnten. Zudem kann es leicht zu einem gefährlichen Vitalstoffmangel kommen. Daher kann ich Ihnen von SIS nur abraten.“
Bitte beachten Sie folgende Ergänzung zu obigem 5.5. von Dr. Spitzbart:
http://www.essenspausen.com/widerspruechliches-ueber-schlank-im-schlaf/